NEBKrit - Qualitätskriterien für Gebäude und Quartiere auf Basis des New European Bauhaus
Kurzbeschreibung
Motivation und Forschungsfrage
Im Rahmen des Projekts sollten Qualitäts-, Bewertungs- und Evaluierungskriterien für öffentlich geförderte Demonstrationsgebäude und -quartiere geliefert werden. Neben den bereits eingeführten Nachhaltigkeitskriterien sollen Ästhetik und soziale Inklusion bewertet werden, um so ein umfassendes Bild der baukulturellen Qualität von Bauprojekten zu erhalten. Diese Perspektive basiert auf den Werten des New European Bauhaus (NEB): Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion.
Ausgangssituation
Baukultur ist ein ganzheitlicher Begriff, der eine Vielzahl von Aspekten umfasst, die je nach Anwendungsfall unterschiedlich große Bedeutung besitzen. Er ist somit nur schwer in ein Kategoriensystem zu integrieren. Das Davos Qualitätssystem (Eidgenössisches Departement des Inneren, 2023), ein relativ neuer und umfassender Ansatz, enthält acht Dimensionen (Gouvernanz, Funktionalität, Umwelt, Wirtschaft, Vielfalt, Kontext, Genius loci, Schönheit), die sowohl Nachhaltigkeit als auch Ästhetik beinhalten. Allerdings wird das Thema Inklusion durch die Dimension Vielfalt hier nicht erschöpfend abgebildet.
Projektinhalte
Mit dem vorliegenden Projekt wird vorgeschlagen, die Dimensionen der Ästhetik und sozialen Inklusion jener der Nachhaltigkeit auf Basis der Bewertungsmethodik der EU-Taxonomie gleichwertig zur Seite zu stellen. Diese Eingliederung stellt das System auf eine bereits europaweit etablierte, rechtlich abgesicherte Grundlage, mit der bestehende Bewertungs- und Zertifizierungssysteme im Baubereich eine grundsätzliche Harmonisierung anstreben.
Methodische Vorgangsweise
Zunächst wurden bestehende Bewertungssysteme in den Bereichen ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion untersucht. In zwei Expert:innen-Workshops wurden mögliche Kriterien und Bewertungsprozesse diskutiert. Auf Basis der Analyse und der Workshops wurde schließlich ein Kriterien- und Bewertungsmodell entwickelt, das mittels eines praktischen Durchgangs von Testbeschreibungen und Testbewertungen für insgesamt sechs Projektbeispiele (jeweils zwei aus den Bereichen Neubau, Sanierung, Quartier) erprobt und evaluiert wurde. Anhand der Resultate dieser Evaluierung wurde schließlich das finale Modell erstellt.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Das konsolidierte Kategorienmodell umfasst 14 Kategorien mit insgesamt 37 Kriterien für die drei Dimensionen Ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und Soziale Inklusion; plus die offene Kategorie Innovation als zusätzliche Dimension. Die Dimension Ökologische Nachhaltigkeit wurde dabei mit sechs Kategorien in Anlehnung an die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie definiert.
Die breite, ganzheitliche Bewertung, die sich durch die Kombination der Kriterien für ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion sowie durch die qualitative Perspektive ergibt, erlaubt eine bessere Bewertung von Architekturprojekten, als sektorale und rein quantitative Bewertungsmodelle dies zulassen. Die Wirkung eines Architekturprojekts ergibt sich im Zusammenspiel der drei Säulen. Das ist nicht zuletzt eine der Grundideen des NEB. Eine solche ganzheitliche, qualitative Bewertung ist auch der konzeptionellen, strategischen Planungsstufe angemessen, in der sich die meisten Projekte befinden werden, die mit diesem Modell bewertet werden sollen. Das Modell folgt den drei Dimensionen und integriert die drei Arbeitsprinzipien des NEB (Partizipation, Transdisziplinarität, Mehrebenen-Engagement). Bei der Entwicklung hat sich gezeigt, dass es für die Bewertung der ästhetischen Kriterien und (der meisten) Kriterien der sozialen Inklusion jedenfalls eine qualitative Vorgangsweise braucht. Die Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit können dem gegenüber immer wieder auf Quantifizierbares zurückgeführt werden.
Im Unterschied zu diesen potenziell quantifizierbaren Indikatoren ist Vergleichbares im Bereich von Ästhetik und sozialer Inklusion nicht möglich. Für die Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit wurde im vorliegenden Bewertungsmodell nicht einfach eine bestehende Vorgangsweise übernommen, sondern ein adaptiertes Modell entwickelt, um die Anschlussfähigkeit an europäische Systeme zu sichern. Für österreichische Einreicher:innen wurde bei allen relevanten Kriterien auf das wichtigste österreichische Bewertungsmodell für ökologische Nachhaltigkeit, klimaaktiv, verwiesen. Generell kann festgestellt werden, dass es für den Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit eine Vielfalt von Bewertungsmodellen gibt. Ähnlich gibt es lange etablierte und gut funktionierte Bewertungsmethoden für Fragen der architektonischen Ästhetik in Form des Architekturwettbewerbs. Für den Bereich des Sozialen existieren keine vergleichbaren etablierten Bewertungsformen. Ein wichtiger Aspekt des vorgeschlagenen Bewertungsmodells ist, dass es nicht nur zur externen Bewertung dienen kann, sondern auch als eine Art Leitfaden für die Selbsteinschätzung von Projektkonzeptionen funktioniert. Zentral für den Erfolg des vorgeschlagenen Modells sind jedenfalls sowohl die Zusammensetzung des Bewertungsgremiums als auch das breite Kriterien-Modell und der iterative Bewertungsmodus.
Ausblick
Weitere Forschung und Entwicklung ist sinnvoll für die Übertragung des Bewertungsmodells in den Quartiersmaßstab. Weiters sollte auf europäischer Ebene eine umfassendere Untersuchung über bestehende Bewertungsmodelle unternommen sowie eine Zusammenführung der Aktivitäten zur Qualifizierung für das NEB betrieben werden. Ebenso ist eine Weiterentwicklung hinsichtlich breiterer sozialer Kriterien sinnvoll. Schließlich sollte untersucht werden, wie derartige breite und qualitative Bewertungsmodelle für andere Förderungen eingesetzt werden können.
Publikationen
Qualitätskriterien für Gebäude und Quartiere auf Basis des New European Bauhaus (NEBKrit)
Entwicklung von Kriterien der Ästhetik und der sozialen Inklusion auf Basis der Werte des New European Bauhaus ergänzend zu bestehenden Nachhaltigkeitskriterien, um Gebäude und Quartiere breiter bewerten zu können. Da die heute notwendige Transformation der Ökonomie stets auch kulturelle und soziale Aspekte umfasst, ist eine derartige breitere Bewertung sinnvoller als heute übliche Methoden.
Schriftenreihe
24/2024
B. Feller, R. Halbartschlager, R. Hammer, S. Hofer, C. Ohrhallinger, R. Temel
Herausgeber: BMK
Deutsch, 59 Seiten
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Projektbeteiligte
Projektleitung
Plattform Baukulturpolitik
Projekt- bzw. Kooperationspartner:innen
IBR & I Institute of Building Research & Innovation ZT GmbH
Kontaktadresse
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